Einleitung

Nach langer Zeit und Verzögerungen durch Corona hatte ich endlich wieder Gelegenheit an einem vor Ort-Treffen der europäischen BIM-Normungsgruppe TC442/WG2 teilzunehmen. Gastgeber war diesmal die Technische Universität in Bratislava, welche uns für die 2 Tage Ihre Räume zur Verfügung gestellt hat.

Am ersten Tag stand die Arbeit in der TC442/WG2 (-Projektgruppe 1) zum Thema LOIN (DIN EN 17412-1) im Vordergrund. Dazu wurden die bereits sehr guten Grundlagen für den Part 2 – „Anwendungshilfen“ diskutiert und weiter detailliert. Neben Marzia Bolpagni, der Leiterin unserer Gruppe, waren dazu auch 6 weitere Experten aus verschiedenen europäischen Ländern angereist.

Am zweiten Tag stand der allgemeine Austausch über aktuelle Aktivitäten innerhalb der gesamten WG2 im Vordergrund und wurde durch ein gemeinsames hybrides Meeting mit den anderen Working Groups (WG3; WG4) weitergeführt. Die große Teilnehmerzahl von insgesamt mehr als 50 Personen aus fast allen europäischen Ländern zeigt, wieviel Interesse und Engagement inzwischen im Thema BIM und der Normung darum steckt.

Ankommen und Arbeit am Tag 1

Nachdem ich nach fast 9 Stunden Zugfahrt endlich in Bratislava angekommen war, trafen wir uns mit den Mitgliedern der Projektgruppe 1 – LOIN zum Abendessen. Neben dem gemütlichen Aspekt dahinter und dem schönen Einblick in die slowakische Speisekarte, war ich wirklich beeindruckt, wie gut wir als Expertengruppe aufgestellt sind und wie positiv der gemeinsame Austausch ist.

Mitglieder der WG2/PG1 - Level of Information Need

Mit dieser positiven Stimmung sind wir am nächsten Tag direkt in die weitere Erarbeitung der DIN EN 17412 gestartet.

Zu den allgemeinen Informationen gehörte, dass die Überführung der DIN EN 17412-1 in das ISO-Level unter der Normungsnummer 7817-1 inklusive der Einarbeitung der redaktionellen Kommentare nach dem 19.09.2022 erfolgen wird. Ganz formell wird nach der Abstimmung, ob die Erarbeitung der ISO unter CEN-Lead erfolgen kann, das Workitem gestartet und muss innerhalb eines Jahres veröffentlicht werden. In diesem Zuge werden auch Part 2 und Part 3 direkt als ISO-Norm oder ISO-Report beantragt.

Anschließend Stand die Arbeit am Inhalt des Part 2 im Vordergrund der Arbeit. Dieser wird als Technischer Report konzipiert und ergänzt die LOIN-Konzepte.

Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zuge die nähere Beschreibung der Geometrieanforderungen. Diese werden in den bereits bekannten Beschreibungsaspekten:

Dimension / Location / Detail / Appearence / Parametric Behavior

deutlich konkreter beschrieben. Vor allem der Teil „Detail“ wird um sehr gut ausgearbeitete Entscheidungsbäume ergänzt. Innerhalb dieser lässt sich die Anforderung an Geometrie sehr geführt vornehmen und es wird möglich weitere Beschreibungsaspekte zu ergänzen. Konkret wird es so möglich neben der Anforderung an Platzhalter oder  auch die Außendarstellung, die Integration von Anschlüssen…zu ergänzen. Dadurch wird die Anforderung deutlich greifbarer und deutlich genauer beschreibbar, als zum Beispiel über einen unstrukturierten Text oder ein Bild.

Darstellung von LOG zu LOIN - geometrische Anforderungen

Trotzdem gab es auch in diesem Feld viele Diskussionen. Vor allem, ob für die verschiedenen Anforderungen wieder zusammenfassende Begriffe eingeführt werden sollen. Also ob, ähnlich wie beim LOD-Konzept mit Nummern (LOD100-LOD500), auch eine Zusammenfassung unter einem Begriff erfolgen sollte. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Thematik, wurde die Entscheidung vertagt und es wird nochmal konkret geprüft, wie viele Kombinationen von Geometriebeschreibungen wirklich vorkommen und, ob es sich überhaupt lohnt Sammelbezeichnungen zu verwenden.

Auch die Frage, ob und wie die verschiedenen Anforderungen zusammenhängen sorgte für Diskussionspotential. So ist es eine spannende Frage, ob zum Beispiel eine Wandlänge nur in der Geometrie vorhanden sein muss, oder auch als alphanumerische Anforderung. Oder ob eine genaue alphanumerische Anforderung, vereinbar ist mit einer ungenauen Geometrieanforderung (z.B.: Platzhalter).

Neben vielen weiteren Klarstellungen und Ergänzungen im Textteil, wurde am Ende nochmal mit einem Experten aus der WG4 – Produktkataloge die technischen Spezifikationen des LOIN Schemas diskutiert. Vor allem die Frage, wie sich ein Objekt einordnet bzw. identifiziert wird und wie das dazu gehörige Datentemplate integriert werden kann ist noch zu diskutieren.

Das ist insofern sehr wichtig, dass wir bei einer sehr hohen Annäherung des Standards DIN EN ISO 23386-1 sowohl die Informationsseite der direkt am Bau Beteiligten (Planer, Ausführende, Bauherren) auch indirekte Beteiligte, wie die Bauprodukthersteller in derselben technischen Spezifikation arbeiten. Dies ermöglicht dann, dass die Austauschsprache von Informationsanforderungen, Informationslieferung von allen Beteiligten einheitlich umgesetzt werden kann und es weniger Schnittstellenprobleme gibt.

Mit dem Zusammenfassen der Ergebnisse und Verteilung weiterer Aufgaben endete dann der erste sehr produktive Tag. Es folgte ein abendlicher Restaurantbesuch aller angereisten Experten mit einigen sehr aufschlussreichen Diskussionen.

Genereller Austausch der WorkingGoups am Tag 2

Der zweite Tag stand ganz unter dem Motto „Austausch“, innerhalb der eigenen und mit anderen Working Groups.

Interessant in der WG2 waren vor allem die Themen aus der Projektgruppe 4 rund um Ulrich Hartmann. Dieser befindet sich inzwischen mit den anderen Experten auf dem Weg, das Thema Metadaten für CDEs zu einer Einigung zu führen. Unterstützt wird das Ganze durch den BuildingSmart mit der Initiative OpenAPI for CDEs (Link: https://github.com/buildingSMART/OpenCDE-API). Dabei hilft vor allem das Konzept der Minimalanforderungen, um eine Einigung zu erzielen.

Auch in der anschließenden Diskussion zum Thema Metadaten zeigt sich, dass dieses Thema von den CDEs nach DIN EN ISO 19650 nur mit minimalen Anforderungen und nur auf Informationsmanagementebene auf Containerbasis normativ gestützt werden kann. Konkret heißt das, dass Metadaten wie Status, Ersteller, Datum… eine Rolle spielen werden, während tiefergehende Informationen, die sich auf den Inhalt von Informationscontainern beziehen kein Entwicklungsgegenstand sein soll.

Ein weiteres Thema an diesem Tag war die Ankündigung des Parts 4 und 5 der DIN EN ISO 16757, welche sich auf das Thema Produktkataloge konzentrieren wird. Dabei geht es vor allem um die Wiederverwendung der bereits geschaffenen Standards der VDI 3805 zur Definition von inhaltlichen Spezifikationen für Produktbeschreibungen.

Nach dem gemeinsamen Austausch wurde dann der Abend mit einer Stadtführung durch Bratislava abgeschlossen, wodurch die Stadt definitiv noch etwas an Charme gewinnen konnte.

Ausblick von der Pressburger Burg über die Stadt

Abreise und Fazit

Neben all den inhaltlichen Diskussionen, dem Austausch und der Erkenntnis, dass wir alle noch viele Bretter zu bohren haben, war es wirklich schön mal wieder alle Gruppenmitglieder in Persona zu sehen. Denn so gut es auch ist, dass Webmeetings funktionieren, manchmal ist es auch ab und an sehr effektiv sich in einem Raum einzuschließen und ohne Ablenkung Inhalte zu entwickeln.

Vor allem die Entwicklung im Part 2 der DIN EN 17412 nehmen immer mehr an Fahrt auf. Es zeigt sich in dem Zuge immer mehr, dass dieses Konzept der genauen digitalen Beschreibung von Anforderungen an Modelldaten und Informationen der Bauwirtschaft wirklich helfen kann. Das Ziel des  durchgehend digitalen und vor allem offenen Informationsaustauschs von der Anforderung bis zur Prüfung wird dadurch immer greifbarer.

Julien Beyer

Julien ist BIM-Enthusiast der ersten Stunde. Für das Studium des Bauingenieurwesens an der HTWK Leipzig, hat es ihn in die große Stadt verschlagen. Von seiner Kindheit auf dem Land hat er seine Bodenständigkeit mitgebracht, die ihm auch in der Hektik des Alltags ein guter Begleiter ist. Er sieht stets das Gute im Menschen und gibt alles – gern auch im Team – damit gute Ideen nicht nur Visionen bleiben. Wenn er nicht gerade als BIM-Manager der S&P Gruppe die kleinen und großen Herausforderungen der BIM Implementierung löst oder in diversen Gremien versucht, pragmatische Lösungsansätze in Hilfen, Standards und Normen zu übernehmen, taucht er auch privat gern in virtuelle Welten ab.